Steccherinum bourdotii Saliba & A. David
Freudiggefärbter Hütchen-Resupinatstacheling
oder auch Rundsporiger Resupinatstacheling
Fundbeschreibung von Hansjörg Kevenhörster
Diese Pilzbeschreibung ist zunächst einmal eher ein Erlebnisbericht über zahlreiche Irrwege bei meiner Pilzbestimmung. Dabei erwiesen sich die altbekannten Sprüche „Ausnahmen bestätigen die Regel“ und „Irren ist menschlich“ wieder einmal als besonders bedeutsam. Glücklicherweise gibt’s meines Wissens nur drei von ca. 50 Steccherinum-Arten, die sich überaus gleichen.
Am 29. Dezember 2022 sandte mir unser Vorstandsmitglied Norbert Ebli ein paar Fotos von flächig auf einem liegenden, stark bemoosten Baumstamm wachsenden Pilzen und bat mich dazu um einen Hinweis zur leichteren Bestimmung. Auf seinen Fotos waren zahlreiche Fruchtkörper einer Steccherinum-Art mit knallroter, stacheliger Fruchtschicht, jedoch ganz ohne Hütchen zu sehen. Nach dem Ausschlussverfahren dachte ich mir, dass Steccherinum bourdotii wohl kaum infrage kommt, denn diese Art hätte ja Hütchen. Leider habe ich dabei zu wenig beachtet, dass bei einer horizontalen Wuchsform ohnehin keine Hutbildung erfolgt. Außerdem kann es, wie überall in der Natur, auch hier Ausnahmen geben. Die gängige „Hütchenregelung“ ist ja nicht absolut zwingend, sondern trifft lediglich „vorwiegend“ zu. Da die Farbe des Hymenophors, also der Stacheln, extrem stark rot erschien, schloss ich Steccherinum ochraceum ebenfalls aus, weil diese Art doch eher orange (ockerrötlich) gefärbt ist. Deshalb und weil auch die Stacheln anhand der Fotos nicht besonders kurz schienen, vermutete ich, dass es sich eigentlich nur um Steccherinum robustius handeln kann.
Zu Hause fotografierte ich seine Funde auf verschiedene Arten und schrieb auch alle meine Fotos voller Überzeugung vorschnell mit „St. ochraceum“ an. Selbstverständlich überprüfe ich alle meine Pilzbestimmungen auch noch mikroskopisch, um meine Meinungen (Vermutungen) auch entsprechend abzusichern. Das Mikroskopieren war wegen der zähen Konsistenz von kleinsten Stachelteilchen der doch jungen Fruchtkörper äußerst schwierig und zeigte leider keine Sporen. Da die Dokumentation der Sporen nun eben einmal zu einer seriösen Bestimmung dazu gehört, versuchte ich während 24 Std. einen Sporenabwurf zu bekommen. Dieses hat erstaunlicherweise auch gut geklappt, aber das Ergebnis war dann äußerst überraschend sowie ernüchternd. Alle Sporen waren kugelig (rundlich) geformt. Sämtliche Sporenmaße lagen zwischen 4 und 5 mal 3,5 bis 4,5 µm. Somit konnte es sich bei diesen jungen Exemplaren nur um Steccherinum bourdotii gehandelt haben! Im Internet wird als deutscher Name (Volksname) mehrheitlich „Rundsporiger Resupinatstacheling“ verwendet. In der Österr. Datenbank wird er als „Freudiggefärbter Hütchen-Resupinatstacheling“ bezeichnet.
Zur Unterscheidung in der Natur gelten allgemein die makroskopischen Merkmale für Steccherinum bourdotii: vorwiegend mit Hütchen und mit bis zu 3-4 mm langen Stacheln Steccherinum ochraceum: vorwiegend ohne Hütchen und mit 0,5-1 (1-2) mm kurzen Stacheln Steccherinum robustius: ohne Hutbildung und mit 2-3 mm langen Stacheln mit etwas koralloid verzweigten, hellen Spitzen.
Nun haben wir ja aus unserer Erfahrung gelernt, dass dies alles ziemlich variabel sein kann und nicht unbedingt zwingend so zutreffen muss. Die hutbildende (pileate) Art kann auch ohne Hütchen (resupinat) wachsen und die normalerweise langen Stacheln können gerade bei jungen Exemplaren auch wesentlich kürzer sein. Auch die Farben können je nach Stadium völlig unterschiedlich sein. Also ist zu einer sicheren Bestimmung sowieso das Mikroskopieren unerlässlich. Zwei Tage nach meinen lehrreichen und hier besonders ausführlich protokollierten Erkenntnissen ging ich zum Areal der ehemaligen „Stella Matutina“ hinüber, um auch noch ältere Fruchtkörper von Steccherinum bourdotii zu fotografieren. Deren Standort am Stamm einer abgestorbenen Esche war mir noch vom vergangenen Sommer her bekannt. Ihr Aussehen entsprach den gängigen Abbildungen, so wie wir diese Pilze eigentlich von den meisten Veröffentlichungen her kennen. Meine Fotos davon habe ich zum besseren Verständnis mit der zusätzlichen Bemerkung „alt“ bezeichnet, dagegen sind die vorher gemachten Fotos der jungen Frischpilze mit „frisch“ gekennzeichnet. Und weil die trockenen Fruchtkörper überhaupt nicht mehr „freudig gefärbt“ sind, habe ich vom Exsikkat (Trockenbeleg) der jungen Frischpilze von Norbert auch noch ein Foto angefertigt und dieses mit „trocken“ angeschrieben.
Im Band 12 von Fungi Europaei (Bernicchia/Gorjon) „Corticiaceae s.l.“ wurden folgende Sporenmaße angegeben für
Steccherinum ochraceum: 3-3,5(-4) x 2-2,5 µm
Steccherinum robustius: 3,5-5 x 2,5-3 µm
Diese Ausgabe der „Edizioni Candusso“ ist vermutlich das einzige bebilderte Bestimmungsbuch, in welchem alle drei Steccherinum-Arten enthalten sind. Steccherinum bourdotii ist sonst nur noch im Band 1 von G.J.Krieglsteiner „Die Großpilze Baden-Württembergs“ unter der Nr.75.1 beschrieben. Hingegen ist Steccherinum ochraceum im BK 2/Nr.194, Ja Nr.74, Kr 1/Nr.75.5, Lx 493/2 und RH 138/2 zu finden. Die gesamte Problematik bei der Unterscheidung zwischen den drei Steccherinum-Arten mit rötlichem Hymenophor dürfte auch der Grund dafür sein, dass in den gängigen Bestimmungsbüchern fast nur Steccherinum ochraceum aufscheint. Auf die Verwechslungsmöglichkeiten mit Steccherinum oreophilum, anderen Steccherinum-Arten oder gar mit Irpex lacteus sowie mit Fältlingen und Porlingen, beispielsweise Junghuhnia nitida, dem Schönfarbigen Kristallzystidenporling, möchte ich jetzt nicht auch noch näher eingehen.
Fotos: Hj. Kevenhörster