Scleroderma citrinum Pers.

Syn.: Scleroderma aurantium, Scleroderma vulgare

Dickschaliger Hartbovist, Kartoffelbovist

Fundbeschreibung von Hansjörg Kevenhörster

Im Oktober 2020 fand ich in einem feuchten, bemoosten Abschnitt eines sauren Fichtenwaldes auffallend viele Kartoffelboviste. Einige Fruchtkörper wuchsen auch an Baumstümpfen, die sich bereits schon in der Finalphase der Vermorschung befanden. Die stattliche Anzahl der frischen Kartoffelboviste auf dichtem Moos, die an eine Ansammlung von Golfbällen auf einem Trainingsplatz erinnerten, war irgendwie außergewöhnlich und faszinierend zugleich. Also machte ich ein paar Fotos am Standort und erfreute mich dann später zu Hause beim Mikroskopieren an den wunderschönen Sporen mit ihren bis zu 1,5 µm hohen, unregelmäßig netzigen Graten. Eine Information im Internet, wonach sich die Oberfläche des Fruchtkörpers mit KOH dunkelrot verfärbt, kann ich allerdings so nicht bestätigen. Mein Test ergab lediglich eine schwache Verfärbung auf rosa. Makroskopisch könnte man den Dickschaligen auch leicht mit den anderen fünf Kartoffelbovist-Arten verwechseln. Die deutlichsten Unterschiede von Scleroderma citrinum zu den anderen Hartbovisten sind die bis zu 5 mm dicke, bei frischen Exemplaren stets harte Peridie (Fruchtkörperhülle) und die auffallend rudimentäre, höchstens stielartige Anwachsstelle mit nur wenigen, weißlichen Myzelsträngen. Beschreibungen zu dieser Art findet man z.B. im BK2/506, Dh 1094, Gh 609/1 und Lx 619/2. Als Verwendungszweck wird meistens sinngemäß angeführt, dass dieser Pilz giftig ist, weil er Verdauungsstörungen verursacht.

Allerdings wären Pilzkundler wesentlich besser beraten, wenn sie hierzu im Band 17 der Bayerischen mykologischen Zeitschrift „Mycologia Bavarica“ den Beitrag von Christoph Hahn und Helmut Grünert auf den Seiten 86 und 87 beachten würden. Unter dem Titel „Kartoffelboviste – alles andere als harmlos“ wird von Vergiftungsfällen, die durch den Verzehr von Scleroderma cepa, Sc. citrinum und Sc. verrucosum ausgelöst wurden, berichtet. Alle Fälle zeigten neben gastrointestinalen Symptomen folgende Gemeinsamkeiten: bedrohliches Absinken der Körpertemperatur, zeitweises Erblinden, Verlust des Farbsehens, Stimmungsänderungen bis zur Depression und teilweise Bewusstlosigkeit.
Es wird von einem Fall berichtet, dass jemand nach dem Genuss von wenigen Fruchtkörpern von Scleroderma cepa (Rötender Kartoffelbovist) kurze Zeit darauf Übelkeit und Erbrechen sowie Sehstörungen wie Doppelbilder und depressive Schübe erlitt. Nach weiteren drei Stunden wurde der Patient für ca. zwei Stunden vollkommen farbenblind. Nach fünf Tagen verschiedenster Beeinträchtigungen war der Patient wieder gesund. Von einem anderen Fall wird berichtet, bei welchem sich der Patient mit Scleroderma verrucosum (Dünnschaliger Kartoffelbovist) vergiftete. Nach der Einnahme seiner Pilzmahlzeit begannen die Probleme mit dem Ausfall des Farbsehens – er sah den Farbfilm im TV nur noch schwarzweiß. Die nächsten Sehstörungen waren Doppelbilder und der Ausfall des Gesichtsfeldes – zunächst nur auf einem Auge, dann komplett. Zudem erlitt der Patient eine extreme Steigerung der Gehörempfindung und zeitweise eine wiederkehrende Bewusstlosigkeit. Die Körpertemperatur sank auf 33 °C und der Sauerstoffgehalt im Blut war reduziert. Ungewöhnlich an diesem Fall war allerdings das Ausbleiben der sonst üblichen gastrointestinalen Symptome. Die Nervengifte der Kartoffelboviste sind also wesentlich gefährlicher, als die ebenfalls vorhandenen Magen-Darm-Gifte!

Da die Vergiftungen mit Kartoffelbovisten jeweils durch Verwechslungen mit Stäublingen verursacht wurden, ist bei der Pilzberatung unbedingt auf die wichtigen Unterschiede hinzuweisen. Das feste Fleisch junger Kartoffelboviste (Gattung Scleroderma) kann ebenfalls weißlich sein, wie z.B. das weiche Fleisch junger, also noch als essbar geltender Flaschenstäublinge (Gattung Lycoperdon). Bei der Pilzberatung sollte also auch erklärt werden, dass die giftigen Fruchtkörper frischer Kartoffelboviste (Hartboviste) immer hart sind, hingegen sind jene der Stäublinge immer weich!

Fotos: Hj. Kevenhörster