Neolentinus adhaerens (Alb. & Schwein.) Redhead & Ginns

Syn.: Lentinus adhaerens

Harziger Sägeblättling

Fundbeschreibung von Hansjörg Kevenhörster

Mein Pilzgang vom 16. Dezember 2020 war für mich ein besonders außergewöhnliches Erlebnis. Ich machte entlang des Egatarundweges in Rankweil „nur“ 3 Pilzfunde. Allerdings war jeder einzelne für sich derart erfreulich, dass ich von jedem ein separates Pilzporträt in unsere Homepage stellte. Als erster Fund glückte mir die Entdeckung von Resupinatus europaeus (Europäischer Schwarzweiß-Muscheling), dessen Vorkommen in Österreich zur Zeit meiner Berichterstattung in der Mykologischen Datenbank noch nicht registriert war. Dann fand ich die auch nicht alltäglichen Fruchtkörperchen von Panellus mitis (Milder Zwergknäueling oder Nadelholz-Zwergknäueling – Pilzporträt). Und zum Abschluss meiner Glückssträhne an diesem herrlichen Winterrundgang fand ich noch Neolentinus adhaerens (Harziger Sägeblättling). Es kann sich also durchaus lohnen, auch im Winter nach Pilzen Ausschau zu halten. Aber Vorsicht! Dies wirklich nur unter der Voraussetzung, dass keine akute Gefahr durch umstürzende Bäume oder abbrechende Äste infolge Schneedruck besteht. Amüsantes Detail am Rande – später erfuhr ich, dass unser Vorstandsmitglied Karl Günter Stadler einige Tage zuvor die gleichen Fruchtkörper des Harzigen Sägeblättlings dort auch schon fotografiert hatte.

Nach diesen etwas abschweifenden Erklärungen, für die ich mich ganz herzlich entschuldigen möchte, nun wieder zurück zum eigentlichen Porträt von Neolentinus adhaerens, dem Harzigen Sägeblättling. Ich war schon ziemlich spät dran und kurz vor dem Heimweg, als ich an einem, am Straßenrand liegenden stark vermorschten, schon längst entrindeten Fichtenstamm knapp über dem krautigen Boden mehrere Pilzfruchtkörper erblickte. Von oben sah ich nur ihre eng übereinanderstehenden, blassen, hellbeigen Hüte und konnte mir so nicht einmal eine Gattungszugehörigkeit vorstellen. Ich ergriff ein hart durchgefrorenes Exemplar, um es zu Hause zu bestimmen. Beim Einpacken merkte ich, dass zwei Hüte aneinander gefroren waren und dass meine Hände davon stark klebrig geworden sind. Nun war klar, dass ich den Harzigen Sägeblättling gefunden hatte, den ich jedoch noch nie zuvor mit derart hellen Hüten sah. Meine Finger waren dermaßen verklebt, dass ich sie vor der Nachhause-Fahrt längere Zeit mit Schnee und Taschentüchern rubbeln musste.

Die ca. 3-6 cm großen Hüte von Neolentinus adhaerens sind in ihrer Form sehr unterschiedlich, z.B. gewölbt, gebuckelt, niedergedrückt bis  trichterig. Ihre Hutfarbe ist ebenfalls variabel, zuerst schmutzig hellbeige, später ockerbräunlich bis rötlichbraun. Die HDS (Hutdeckschicht) ist mit einem fahlen Flaum überzogen und stark harzig-klebrig. Der Harzige Sägeblättling hat cremefarbene Lamellen, deren Schneiden schwach bis deutlich gesägt sind (daher der deutsche Name) und harzige Tröpfchen ausscheiden. Auch diese Besonderheit versuchte ich fotografisch zu dokumentieren. Sogar die rötlichbraunen Stiele sind klebrig und stecken fest wurzelnd im meist sehr morschen Nadelholz. Mikroskopisch konnte ich zylindrische Sporen mit den Abmessungen von ca. 8 x 3,5 µm und zahlreiche Pleurozystiden mit bis zu 100 x 6 µm feststellen. In der Literatur findet man Neolentinus adhaerens im BK 3/Nr.237, Kr 3/14, Lu 1/Nr.39.6, Lx 53/1 und im MHK 3/Nr.100.

Anmerkung: Mit meinen ungewöhnlich ausführlichen Schilderungen möchte ich alle Leser an den vielfältigen Freuden, die mit den Pilzen zusammenhängen, ganz herzlich teilhaben lassen. Gleichzeitig bringt diese besonders zeitaufwändige Beschäftigung mit der Pilzkunde die Möglichkeit mit sich, sein eigenes pilzkundliches Fachwissen enorm zu vertiefen. Durch die erforderlichen Nachforschungen für ein fundiertes Pilzporträt entwickelt sich der eigene Wissensstand und damit der pilzkundliche Horizont ziemlich beeindruckend. Schließlich geht es mir auch darum, mit meinen deutlichen Ausführungen auf die überwältigende Schönheit und bewundernswerte Vielfalt der Pilzwelt aufmerksam zu machen. Hauptsächlich soll durch eine Fortbildung des oft oberflächlichen Wissens angeregt werden, künftig wesentlich mehr auf die besonderen Eigenheiten jeder noch so unscheinbaren Pilzart vermehrt zu achten und dadurch noch viel mehr Freude an der Natur zu bekommen.

Fotos: Hj. Kevenhörster