Dendrothele alliacea (Quél.) P. A. Lemke
Schmalsporiger Borkenrindenpilz, Eichen-Baumwarzenpilz
Fundbeschreibung von Hansjörg Kevenhörster
Auch heuer besuchte ich mehrmals in Frastanz das Naturbad „Untere Au“, welches sich ganz besonders durch eine vorbildlich gepflegte und vor allem naturbelassene Anlage auszeichnet. Der Badesee wird aus reinem, unbehandeltem Grundwasser gespeist und auf den ungedüngten Rasenflächen stehen zahlreiche, schattenspendende Laubbäume verschiedenster Gattungen. Mitte Juni 2021 beobachtete ich dort am Stamm eines lebenden Acer campestre (Feldahorn) schöne Pilzfruchtkörper von Dendrothele acerina (Ahorn-Borkenrindenpilz), worüber ich ein ausführliches Pilzporträt für die Homepage des Pilzkundlichen Vereins Vorarlberg schrieb.
Nun entdeckte ich am 06. Juli 2022 auf dem gleichen Areal an der Borke eines dort stehenden, prächtigen Baumes der Pflanzenart Populus nigra (Schwarzpappel) wiederum eine Dendrothele (Borkenrindenpilz). Ich gehe davon aus, dass es sich hierbei um Dendrothele alliacea, den Schmalsporigen Borkenrindenpilz handelt. Eigentlich sollte sein deutscher Name „Langsporiger Borkenrindenpilz“ lauten, denn diese Art der Gattung Dendrothele hat deutlich längere Sporen, als z.B. Dendrothele acerina. Die Sporen von Dendrothele alliacea sollten gegenüber ihrer Breite ca. doppelt so lang sein. Jedoch sind sie nicht schmaler als z.B. von D. salicicola mit 5,5-7,5 (-8) µm, von D. commixta mit 5-7 µm oder von D. acerina mit 7-8 µm (meist unter 8 µm). Siehe dazu auch der von Dr. Christoph Hahn im Jahr 2017 zusammengestellte Schlüssel. Hier steht zu Dendrothele alliacea unter Nr. 12 (8): „Basidiosporen subzylindrisch (Q > 2); an div. Laubhölzern, meist aber an Quercus“. Im Band 2 „Pilze der Schweiz“ von Breitenbach/Kränzlin sind unter der Nr. 47 Sporenmaße von 13-15 x 6,5-8 µm angegeben (Basidien und Hyphen ohne Schnallen). Im Band 12 „Corticiaceae“ von Bernicchia & Gorjón aus der Reihe „Fungi Europaei“ sind auf Seite 267 Sporenmaße von 16-18 x 6-7(8) µm angegeben. Im Band 1 „Die Großpilze Baden-Württembergs“ von German J. Krieglsteiner sind auf der Seite 198 als Substrate Laubbäume, in erster Linie Eiche, angeführt. Zudem wird dort auch die Borke lebender Baumarten, wie Bergahorn, Spitzahorn, Schwarzerle, Rotbuche, Schwarzpappel, Weide sowie Linde erwähnt. Walnuss und Ulme werden ebenfalls angeführt. Wenn man nun meine untenstehenden Fotos mit jenen meines Pilzporträts über Dendrothele acerina vergleicht, ist es offensichtlich, dass mein jetziger Fund auf Schwarzpappel eine wesentlich warzigere Oberfläche hat, als jener vom Feldahorn. Da Dendrothele alliacea mit seinem deutschen Zweitnamen ja auch „Baumwarzenpilz“ genannt wird, könnte dies ebenfalls ein Hinweis darauf sein, dass es sich bei meinem hier dokumentierten Fund höchstwahrscheinlich um Dendrothele alliacea handelt.
Tja, somit wäre ja makroskopisch einiges geklärt, jetzt fehlt nur noch die wie immer übliche mikroskopische Absicherung meines diesjährigen Fundes von Anfang Juli. Dazu muss ich leider berichten, dass ich in den unzähligen Präparaten keine einzige Spore und natürlich auch keine Basidien und Zystiden fand. Lediglich einige Algenzellen und die in der Literatur erwähnten „vielen eingestreuten Kristalle“ waren jeweils derart häufig, so dass man glauben könnte, ich hätte ein ganzes Schotterwerk ins Mikroskop geschoben. Nun sind halt eben die Rindenpilze im Hochsommer überhaupt nicht fertil (sporentragend). Wahrscheinlich ist es vergleichsweise so, wie wenn ich im Winter bei einem mir fremden Apfelbaum die Äpfel und Blätter suche, um damit herauszufinden, welcher speziellen Apfelsorte dieser kahle Baum zuzuordnen ist. Christoph Hahn schrieb am 24. Februar 2010 im Forum der BMG (Bayerische Mykologische Gesellschaft), dass die Dendrothelen im Zeitraum Februar/März während Regenperioden reif sind. Schade, da wird das Natur-Schwimmbad „Untere Au“ wohl geschlossen sein. Aber vielleicht lassen sich die gesuchten Fruchtkörper im späten Winter auch außerhalb der Umzäunung finden. Oft führt eben nur ein zielgerichtetes Durchhaltevermögen zum erhofften Erfolg. Immerhin wäre dann ein gesicherter Erstnachweis für Vorarlberg von Dendrothele alliacea in der Österr. Datenbank wieder einmal besonders erfreulich.
Fotos: Hj. Kevenhörster