Cyathicula cyathoidea (Mérat) Thüm.

Syn.: Crocicreas cyathoideum, Crocicreas cyathoideum var. cyathoideum

Pokalförmiger Stängelbecherling

Fundbeschreibung von Hansjörg Kevenhörster

Beim Mikroskopieren einiger Funde nach unserer wunderschönen Vereinsexkursion vom 25. 06. 2022 in Röns zum „Alten Bad“ hinauf, musste ich wiederholt erfahren, dass nicht alles so einfach ist, wie es zuvor aussieht. Und wenn man zudem gegen Ende eines glutheißen Monats Juni an die 50 verschiedene Pilzarten in der Fundliste eintragen möchte, dann kann man nicht einfach nur auf den Waldwegen spazieren gehen und darauf warten, bis man vom Geruch her auf einen bis zu 20 cm hoch aufgerichteten Phallus impudicus (Stinkmorchel) aufmerksam gemacht wird. Dabei möchte ich aber den Fund einer Stinkmorchel keineswegs abwerten. Immerhin wurde sie von der DGfM (Deutsche Gesellschaft für Mykologie) zum Pilz des Jahres 2020 gewählt. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, dass man sich schon etwas mehr bemühen muss und z.B. beim Anblick von Pteridium aquilinum (Adlerfarn) ein paar feucht liegende, vorjährige Stängel aufsammeln und auf Pilze absuchen sollte. Meistens hat man ja Glück und sieht gleich schon die auffälligen schwarzen Flecken von Rhopographus filicinus (Adlerfarn-Fleckenpilz).

Besonders erfreulich ist dann aber auch, wenn man zudem noch die winzigen Apothecien (becherförmige Fruchtkörper von Ascomyceten) vom erwarteten Psilachnum chrysostigmum (Weißes Farnbecherchen) erblickt. Da bekommt man doch gleich schon die Gewissheit, dass man wieder besonders zielstrebig einen „alten Bekannten“ entdeckt hat. Komplizierter wird’s dann allerdings, wenn man die max. 0,5 mm großen Fruchtkörperchen – so, wie es sich richtig gehört – durch die Lupe anschaut. Dabei erkannte ich nämlich, dass die gefundenen Winzlinge deutlich gestielt sind – und nicht, so wie im Breitenbach/Kränzlin, Band 1, Nr.196 (BK 1/196) angegeben – „stiellos bis ganz kurz gestielt dem Substrat aufsitzend“. Alles andere hätte ja so ziemlich gepasst, aber dann kam die nächste Enttäuschung, nämlich beim Mikroskopieren. Die Sporenabmessungen meiner Funde ergaben Größen von 9,5-11 x 2-2,5 µm und die Asci. (Schläuche) maßen 45-50 x 4-5 µm. Diese viel zu großen Abmessungen, auch jene der Paraphysen (sterile, langgestreckte Zellen mit Stützfunktion zwischen den Schläuchen) mit 60 x 2 µm, passten überhaupt nicht zum Weißen Farnbecherchen. Wesentlich besser passten sie zu Hymenoscyphus repandus (Ausgebreiteter Stängelbecherling – BK 1/188). Leider stimmten die anderen Literaturangaben eher nicht so optimal mit meinen Findlingen überein, was mich natürlich zum Weiterforschen veranlasste. So war ich dann sehr erfreut, als ich in der Österr. Datenbank Cyathicula pteridicola, den Adlerfarn-Stängelbecherling fand. Mit bundesweit gerade einmal nur 10 Funden scheint für Vorarlberg noch gar keine Eintragung auf. Alles passte wunderbar und ich freute mich natürlich auch ziemlich über den Neufund in unserem Bundesland. Diese Euphorie hielt so lange, bis ich auf einer anderen Seite von Asco-Sonneberg Cyathicula cyathoidea (Pokalförmiger Stängelbecherling) fand. Hier waren zwar genau die gleichen Abbildungen und Mikroangaben wie auf der Seite von „Cyathicula pteridicola“ zu sehen, aber seine Beschreibungen der Mikromerkmale stimmten haargenau mit meinen Messungen überein. Vor allem schien auch der ausgeprägte Haken an der Basis der Asci auf, welcher auch auf meinen Mikrobildern deutlich zu sehen ist. Also musste ich mich wieder von meinem „Erstfund“ verabschieden und freute mich, mit Cyathicula cyathoidea endlich zu einem hoffentlich sicheren Bestimmungsergebnis gekommen zu sein.

Erst später entdeckte ich dann in der Mycobank, dass „Cyathicula pteridicola“ (Adlerfarn-Stängelbecherling) nur ein Synonym von „Crocicreas cyathoideum var. pteridicola“ ist, was letztendlich wiederum ein Synonym von Cyathicula cyathoidea ist. Dazu wäre es vielleicht noch interessant zu erfahren, ob es „Cyathicula pteridicola“, den „Adlerfarn-Stängelbecherling“ überhaupt gibt und ob bei den Substratangaben von Cyathicula cyathoidea der Adlerfarn einfach nur nie erwähnt wurde. Laut meinen Informationen aus dem Internet, der Literatur und der Österr. Datenbank kommt Cyathicula cyathoidea an auf dem Boden liegenden, vermodernden Stängeln verschiedener Gräser und Kräuter, wie z.B. Impatiens glandulifera (Drüsiges Springkraut), Petasites (Pestwurz), Angelica sylvestris (Wald-Engelwurz), Urtica (Brennnessel), Atropa belladonna (Tollkirsche), Lupinus (Lupine), Cirsium (Kratzdistel) sowie Rubus (Brombeere/Himbeere) vor. Zur Absicherung meines mühsamen Bestimmungsmarathons für Pilzchen, die mit freiem Auge kaum sichtbar sind, diente mir als Literatur BK 1/192; De 143, Pl. XXI A sowie E&E 276, Fig.1230. Wie ich eingangs schon erwähnte, ist eben nicht alles so einfach, wie man zunächst einmal meint! Vielleicht ist es auch nicht ganz ausgeschlossen, dass meine Winzlinge eines Tages doch noch Cyathicula pteridicola, also Adlerfarn-Stängelbecherling genannt werden. Und es stimmt ja auch, dass Cyathicula cyathoidea wohl kaum dafür geeignet ist, um daraus eine üppige Pilzmahlzeit zuzubereiten. Aber alleine schon die pilzkundliche Beschäftigung mit so einem faszinierenden Kleinod ist für mich überaus beglückend und ich bin wirklich froh und dankbar, dass ich diese Erfahrungen machen durfte.

Fotos: Hj. Kevenhörster