Clitocybe phyllophila (Pers.) P. Kumm.
Syn.: Clitocybe cerussata, Clitocybe phyllophila var. fusispora, Clitocybe pithyophila
Rosasporiger Trichterling
Fundbeschreibung von Hansjörg Kevenhörster
Am 19. August 2021 fand ich im Valdunawald in Rankweil am krautigen Rand der dortigen Finnenbahn stattliche Büschel weißer Pilze, die zunächst an Leucocybe connata (Weißer Büschelrasling) erinnerten. Jedoch aufgrund meiner Wahrnehmung von rosabräunlichem Sporenpulver musste ich diese Vermutung gleich wieder fallen lassen. Aber derart ungewöhnliche Clitopilus prunulus (Mehlräsling) ohne Mehlgeruch und mit nicht ablösbaren Lamellen, zudem noch sehr festfleischig, kann es ja sowieso auch nicht geben. Der Geruch war süßlich, wie eine Mischung aus Lepista nuda (Violetter Rötelritterling), Clitocybe nebularis (Nebelkappe) und Infundibulicybe geotropa (Mönchskopf). Also gingen meine Erwägungen doch eher mehr in Richtung Lepista irina (Veilchenwurz-Rötelritterling) oder Lepista densifolia (Dichtblättriger Rötelritterling). Doch musste ich auch diese Vermutungen gleich wieder verwerfen, weil die Rötelritterlinge meist viel dickfleischiger und ihre Lamellen leicht ablösbar sind. Aus diesen Gründen schied auch Lepista caespitosa (Büscheliger Rötelritterling) aus, obwohl manche Hüte meines Fundes die typischen tropfenartigen Flecken aufwiesen. Dass es sich dann schlussendlich um weiße Trichterlinge handelte, hätte ich im Feld vorerst noch nicht für möglich gehalten, weil ich diese Gruppe nur mit wesentlich kleineren Fruchtkörpern in Erinnerung hatte. Als ich aber zu Hause meine Literatur zu Rate zog, las ich, dass Clitocybe phyllophila (Rosasporiger Trichterling), welcher im BK 2/176 noch als „Bleiweißer Firnistrichterling“ benannt ist, einen Hutdurchmesser von 20 bis 100 mm haben kann. Ewald Gerhardt schrieb z.B.: „Der sehr veränderliche Bleiweiße Trichterling ist die auffälligste, häufigste und größte Art der Gruppe weißer, giftiger Trichterlinge mit bereiftem Hut.“
Die von mir neben der Finnenbahn aufgefundenen und untersuchten Fruchtkörper sind vermutlich in Verbindung mit im Erdreich eingesenkten Hackschnitzeln in mehreren Büscheln von je ca. 20 Exemplaren gewachsen. Hutdurchmesser 7-9 cm, Stiellänge ca. 6 cm, Stieldicke apikal 8-9 mm und basal leicht keulig 12-14 mm, Lamellen waagrecht angewachsen, sehr engstehend und nicht ablösbar, keine FeSO4-Reaktion. Sporen 5-6 x 3-4 µm glatt, viersporige Basidien 17-20 x 5-7 µm.
Früher wurden ja die sogenannten „Kleinen, weißen Trichterlinge“ schnell einmal als Bleiweißer Trichterling angesehen. Damals war vermutlich auch das Interesse an diesen Giftpilzen ziemlich bescheiden. Sogar in unseren PKVV-Fundlisten der letzten 13 Jahre findet man z.B. nur eine Fundmeldung. Diese einzige Eintragung bezieht sich auf einen Fund während unserer Vereinsexkursion am 05. Oktober 2016 in Kehlegg. Der Rosasporige Trichterling wurde damals noch von unserem mittlerweile leider verstorbenen Ehrenmitglied René Flammer mikroskopiert und bestimmt.
Über den Speisewert von Clitocybe phyllophila gibt es sehr unterschiedliche Angaben in der Literatur. Im Gerhardt und in den meisten anderen, bereits schon ca. 25 Jahre alten Fachbüchern ist beispielsweise zu lesen: „Giftig – enthält größere Mengen des Nervengiftes Muscarin!“ Hingegen schrieb Ludwig in seiner Ausgabe von 2012: „Ungiftig, aber wegen Verwechslungsgefahr zu meiden.“ Allerdings findet man Clitocybe phyllophila auch in aktuelleren Büchern unter den Giftpilzen. Im Buch „Giftpilze“ von René Flammer, Ausgabe 2014, steht diese Art auf Seite 66 in der Aufzählung jener Giftpilze, die das Muscarin-Syndrom auslösen können. Sogar im jüngsten Buch „Die Pilze Deutschlands“ von Jürgen Guthmann und Christoph Hahn, Ausgabe 2021, wird auf den Seiten 183 und 283 auf die Giftigkeit des genannten Trichterlings, auch als Streuliebender Trichterling bekannt, hingewiesen und vor einer Verwechslung gewarnt. Auch im Internet findet man total gegensätzliche Angaben über die Giftigkeit von Clitocybe phyllophila. So kann man dort eine Vielzahl an Beiträgen finden (wahrscheinlich hauptsächlich die älteren), die den Bleiweißen Trichterling, auch Laubfreund-Trichterling genannt, als Giftpilz bezeichnen. Nur in den aktuellen Beiträgen von Wikipedia und 123pilzsuche fand ich den Hinweis, dass Clitocybe phyllophila kein Muscarin enthält, aber wegen der sehr hohen Verwechslungsgefahr vom Verzehr unbedingt abzusehen ist.
Um abschließend durch eine kompetente Auskunft doch noch Klarheit in die unterschiedlichen Speisewert-Angaben zu bringen, bat ich Frau Univ.-Doz. Dr. Irmgard Krisai-Greilhuber, vom Dep. für Botanik und Biodiversität in Wien um ihre diesbezügliche Einschätzung zum aktuellen Wissensstand. Irmgard schrieb sofort zurück und erklärte mir unter anderem, dass generell alle weißen Trichterlinge nur sehr schwer zu bestimmen sind und die verschiedenen Arten öfters verwechselt wurden und sicherlich auch immer wieder falsch bestimmt werden. Aber die richtig bestimmte Clitocybe phyllophila enthält lt. Stijve & Kuyper tatsächlich kein Muscarin. Jedoch ist es aufgrund der besonders hohen Verwechslungsgefahr ganz sicher besser, diese Art als „nicht essbar“ zu bezeichnen.
Außerdem sollte man bei Geschmacksproben sicherheitshalber auch den Rat von Jürgen Guthmann und Christoph Hahn befolgen, den sie in ihrem Buch „Die Pilze Deutschlands“ auf Seite 283 wie folgt veröffentlicht haben: „Geschmacksproben (z.B. kurzes Kauen und wieder Ausspucken) sind bei muscarinhaltigen Pilzen unbedingt zu unterlassen. Muscarin löst sich rasch im Speichel und wird von der Mundschleimhaut direkt aufgenommen. Leichte, unangenehme, aber wegen der geringen Giftmenge relativ harmlose Vergiftungen können bereits auf diese Weise ausgelöst werden!“
Bei Pilzvergiftungen Notruf-Telefon-Nr. von Österreich aus nach:
München: 0049 – 89 – 192 40
Zürich: Notfall: 0041 – 44251 51 51
Auskunft ohne Notfall: 0041 – 44251 66 66
Wien: 01 – 406 43 43
Literaturangaben:
Breitenbach/Kränzlin Band 3 Nr.176; Ewald Gerhardt Seite 152/1; German J. Krieglsteiner Band 3 Seiten 184-185; Hans E. Laux Seite 130/1;
Erhard Ludwig Band 3 Nr.102.64 (im Bildband hat sich bei der Nummern-Angabe von Koll. B und C ein kleiner Fehler eingeschlichen. Sämtliche Zeichnungen auf der Tafel Nr.476, Seite 85, zeigen ausschließlich nur Clitocybe phyllophila.)
Fotos: Hj. Kevenhörster